17. Dezember 2013 - Amnesty International befürchtet, die Abschaffung der Arbeitslager zur Umerziehung in China sei nur eine kosmetische Änderung. Der heute erschienene Amnesty-Bericht zeigt, dass während Umerziehungslager geschlossen werden, vermehrt Gebrauch von sogenannten "schwarzen Gefängnissen", "Gehirnwäschezentren" und Zwangs-Drogenrehabilitationszentren gemacht wird.
"Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, die Umerziehungslager zu schließen. Doch nun scheint es, als wäre dies nur eine kosmetische Korrektur, um auf die anhaltende öffentliche Kritik an den Missbrauch des Systems der ‚Umerziehung durch Arbeit' zu reagieren, wo Folter weit verbreitet war ", so Corinna-Barbara Francis, Chinaexpertin bei Amnesty International.
"Es ist offensichtlich, dass die grundlegenden Methoden, um Menschen für ihre politischen Aktivitäten oder religiösen Überzeugungen zu bestrafen, sich nicht verändert haben. Missbrauch und Folter gibt es weiterhin, nur auf eine andere Art."
Am 15. November 2013, gab China die Abschaffung des langjährigen Systems der "Umerziehung durch Arbeit" bekannt, in welchem seit Jahrzehnten Hunderttausende Menschen ohne Verfahren oder Strafanzeige willkürlich festgehalten wurden.
"Umerziehung" bedeutete für die Gefangenen, die wegen ihrer politischen, religiösen oder persönlichen Ansichten und Handlungen verfolgt wurden, meist Folter, um sie zu einer Abwendung von ihren Überzeugungen oder Glauben zu zwingen.
Die Nachforschungen von Amnesty International zeigen jedoch, dass die Behörden zunehmend auf andere Methoden zurückgreifen, um solche Menschen auch weiterhin zu strafen.
Alte Umerziehungslager wurden häufig lediglich umgerüstet, manchmal sogar nur umbenannt. Einige haben neu eröffnet, andere werden nun als Drogenrehabilitationszentren bezeichnet. Die meisten davon haben wenig mit Drogenentzug zu tun, sondern sind nahezu identisch mit den Umerziehungslagern. Dort können Häftlinge für Jahre Zwangsarbeit und Misshandlungen ausgesetzt sein.
Auch "Gehirnwäschezentren", offiziell "Erziehungsklassen" genannt, werden nun verstärkt genutzt. Diese wurden hauptsächlich geschaffen, um "Falun Gong"-Praktizierende - häufig durch Folter und Misshandlung - dazu zu zwingen, ihrem Glauben abzuschwören. Außerdem kommen immer mehr "schwarze Gefängnisse" zum Einsatz. Dabei handelt es sich um inoffizielle Haftanstalten, die häufig an scheinbar zufälligen Orten wie in Hotels oder verlassenen Gebäuden, untergebracht sind. Sie entbehren jeder rechtlichen Grundlage und werden weiterhin von den chinesischen Behörden verleugnet, was die Inhaftierten einer möglicherweise noch größeren Gefahr von Menschenrechtsverletzungen als in den Umerziehungslagern aussetzt. Die Anwendung von Folter ist sowohl in den "schwarzen Gefängnissen" als auch in den "Gehirnwäschezentren" alltäglich.
Ehemalige Insassen von Umerziehungslagern berichteten Amnesty International, dass sie schwer verprügelt wurden, manchmal mit Elektroschlagstöcken, kein Essen bekamen, simuliertem Ertrinken ausgesetzt wurden und dass ihnen unbekannte Drogen verabreicht wurden. Andere wurde manchmal für Tage auf die Folterbank gespannt.
Zhang Lianying, 52, saß drei Mal in einem Umerziehungslager ein, weil sie sich weigerte, ihre religiösen Überzeugungen aufzugeben. Im berüchtigten Lager "Masanjia" wurde über zwanzig Mal für 1-3 Tage auf eine Folterbank gespannt. Oft musste sie dies nackt ertragen und durfte während der gesamten Zeit nicht essen, trinken, schlafen oder auf die Toilette gehen. Auch berichtete sie Amnesty International, dass sie sofort nach der Ankunft im Lager geschlagen wurde.
"Eine männliche Wache schlug mein Gesicht mit seinen Fäusten und Handschellen immer wieder. Sie versuchten meinen Mund aufzustemmen und wechselten sich damit ab, mit Metallkellen auf meinen Mund und meine Zähne einzuschlagen. Das Blut strömte aus meinem Mund. Männliche und weibliche Wachen zogen an meinem Haar und schlugen meinen Kopf gegen die Wände und einen Tisch."
Andere Insassen beschrieben die geistige Folter, die sie durchgemacht haben. Beamte sagten ihnen, sie seien verantwortlich für das Ende ihrer Ehen, drohten mit der Verfolgung ihrer Familien und verwehrten Familienbesuche, wenn sie nicht "gestehen" würden. Die Inhaftierten wurden zudem gezwungen, andere Gefangene zu disziplinieren und "umzuerziehen".
"Viele langjährige Insassen von Umerziehungslagern werden nun auf direktem Wege in die "schwarzen Gefängnisse", "Gehirnwäschezentren" und Drogenrehabilitationszentren überführt, weil sie sich noch immer weigern, ihre Rechte und Überzeugungen aufzugeben", so Corinna-Barbara Francis.
"Die chinesischen Behörden müssen die willkürlichen Festnahmen sofort beenden und sicherstellen, dass die Gesetze zum Schutz von Gefangenen mit den internationalen Menschenrechtsstandards übereinstimmen."
"Wir brauchen eine grundlegende Veränderung dieser Politik, welche die Grundlage der Repressionen bildet und den Gefangenen ihre elementarsten Grundrechte verwehrt. Solange das nicht geschieht, werden die chinesischen Behörden immer neue Wege finden, Einzelpersonen, die ihrer Meinung nach eine Gefahr darstellen, zu bestrafen."
Link: http://www.amnesty.de/2013/12/17/umerziehung-durch-arbeit-china-wird-das-alte-repressionssystem-durch-ein-neues-ersetzt?destination=node/2817