Chinas staatlich betriebener Organraub geht die ganze Welt an – dies war die Botschaft des internationalen Experten-Forums der WOIPFG in Berlin. Der Boom bei Transplantationen, der in China seit dem Jahr 2000 fast wie aus dem Nichts einsetzte, sei nur durch Massenmord zu erklären. Alle Redner und ihre Thesen hier im Überblick.
China ist offiziell zweitgrößter Transplantations-Standort der Welt und besitzt kein Spender-System nach westlichem Standard. Die Organspende-Bereitschaft ist dort kulturell bedingt sehr gering. Seit 16 Jahren fanden dort jedoch bis zu 100.000 Transplantationen jährlich statt.
Am 28. Oktober referierten im Hotel Albrechtshof in Berlin-Mitte internationale Ermittler und stellten ihre Erkenntnisse zum Thema vor – allen voran Dr. Zhiyuan Wang, Ex-Krankenhaus-Arzt aus China und heutiger Präsident der WOIPFG (World Organization to Investigate the Persecution of Falun Gong). Er sammelte seit zehn Jahren Beweise und interviewte als verdeckter Ermittler am Telefon zahlreiche Täter, die ihm erstaunlich bereitwillig Auskunft gaben. Für ihn gibt es keinen Zweifel daran, dass der Organraub ein Staatsverbrechen ist, an dem sich zahlreiche staatliche Institutionen beteiligen und von dem alle hochrangigen Funktionäre wissen. Auch Martin Patzelt vom Menschenrechtsausschuss des Bundestags war dabei, ebenso der EU-Parlamentarier Arne Gericke und Investigativ-Journalist Ethan Gutmann.
Ein Kampf für Aufklärung seit 2006
Zu Beginn stellte Prof. Sen Nieh, der Vize-Präsident der WOIPFG, die Geschichte der NGO vor: Sie wurde 2003 gegründet, um eine systematische Untersuchung der Verfolgung von Falun Gong in China durchzuführen. Seitdem veröffentlichte sie mehr als 300 Berichte, davon 72 über Organraub.
2006 packten zwei Zeugen in den USA erstmals über Chinas staatlich organisierten Organraub aus: Ein Journalist mit Pseudonym Peter und „Anni“, die Ex-Frau eines Chirurgen des Krankenhauses in Sujiatun. Ihr Mann hatte zwischen 2001-2003 laut eigenen Angaben die Augenhornhäute von rund 2000 lebenden Menschen entnommen. Daraufhin recherchierte der damalige Vize-Präsident des EU-Parlaments Edward McMillan-Scott auf eigene Faust in China. Er traf zwei weitere Zeugen und wurde laut Nieh „der Pionier“ der Untersuchungen und des Widerstands.
„In den USA ist das Thema nun schon in den Mainstream-Medien angekommen“, sagte Nieh in Bezug auch auf die House Resolution 343, welche der US-Kongress erließ, um das Verbrechen zu verurteilen.
„Es geht hier nicht um China, es geht um uns alle“
Dann sprach Martin Patzelt, MdB, vom Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages: Man müsse alle Möglichkeiten der internationalen Einflussnahme nutzen und entschiedene Forderungen erheben. China müsse sich den grundlegendsten Regeln der Menschlichkeit beugen, sagte er. Mit dem Organraub sei die Menschenrechtssituation in China „eskaliert“. „Wir müssen in eine breite gesellschaftliche Diskussion kommen“, wünschte er sich. Die schriftliche Erklärung des Europäischen Parlaments sei ein kleiner Schritt. Allen Anwesenden sagte er: „Es geht hier nicht um China, auch nicht um die betroffenen Menschen, es geht um uns alle.“ Wenn man diese menschenverachtende Praktik toleriere und nichts unternehme „dann stellen wir unser eigenes Menschsein in Frage“, so Patzelt.
Recherchen über 865 Krankenhäuser
Dann referierte Dr. Zhiyuan Wang, der Präsident der WOIPFG. Er beleuchtete das explosive Wachstum der Transplantations-Branche seit 1999, das sich nach der Aufdeckung des Organraubs intensivierte und weiterging – obwohl man das Gegenteil erwarten würde. Er kam zum Schluss, dass nur ein riesiger Pool lebender Menschen das Organreservoir bilden kann, aus dem die Branche in vollen Zügen schöpft.
Er beleuchtete außerdem die Frage, warum hingerichtete Gefangene nicht als Organspender in Frage kommen: In China gibt es eine vorgeschriebene Prozedur, wonach das Höchste Gericht den Zeitpunkt einer Hinrichtung festlegen muss. Die Menschen, die für ihre Organe getötet werden, sterben jedoch auffälligerweise jederzeit nach Bedarf, was heißt, dass ihre Ermordung außerhalb des Rechtssystems der Volksrepublik stattfinden muss. So kommen als Opfer nur politische Häftlinge wie Falun Gong-Praktizierende in Frage, die für die Organbeschaffung zum Abschuss freigegeben wurden. Dass es einen Befehl in dieser Richtung gab, wurde laut Wang von Insidern am Telefon ausgesagt.
Jede vierte Transplantation eine „Not-OP“
Wang beleuchtete noch einmal die in China extrem kurzen Wartezeiten für Empfänger: Während man in den USA 2-3 Jahre auf eine Niere warten muss, dauert dies in China nur ein bis zwei Wochen. Auch die extrem hohe Zahl der „Notoperationen“ macht stutzig: Chinas Register für Lebertransplantationen verzeichnete von April 2005 bis Ende 2006 eine Quote von Notoperationen bei 26,6 Prozent, d. h. ein passendes Organ wurde innerhalb von 72 Stunden gefunden. Dieses Phänomen ist im Westen undenkbar.
Die WOIPFG hat in 865 Krankenhäusern Zeugenaussagen gesammelt, sagte Wang. Man stoße überall in China auf enorme Transplantations-Zahlen, welche die Angabe des Regimes, pro Jahr würden 10.000 Transplantationen stattfinden, bei weitem übertreffen. So gebe es zum Beispiel 96 Zentren, die jährlich 2000 bis 3000 Transplantationen durchführen – basierend auf deren eigenen Angaben. Über das Volkskrankenhaus der Pekinger Universität berichtete China Economic Weekly, dass dort 4000 Transplantationen vor 2010 stattfanden. Der Ex-Vize-Gesundheitsminister Huang Jiefu sagte 2012, er selbst habe über 500 Lebern transplantiert.
Das Business sei so lukrativ, dass auch Kliniken einstiegen, die ihrer Ausrichtung nach nichts mit Transplantation zu tun haben dürften – zum Beispiel die TCM-Klinik (Klinik für Traditionelle Chinesische Medizin) in Gongyi in Henan, die 2001 ein Nierentransplantationszentrum gründete.
Zu vielen kleineren Krankenhäusern konnte die WOIPFG noch gar keine Daten sammeln – so riesig sei das Feld.
Wang zitierte auch den Zeugen Yang Guang aus Dänemark, der gegenüber EPOCH TIMES aussagte, laut internen Daten der KP seien allein für den Bedarf regionaler Krankenhäuser bereits 500.000 Falun Gong-Praktizierende getötet worden.
Danach wurde ein Grußwort von MdB Christoph Strässer verlesen: „Dieses illegale und menschenrechtwidrige Verhalten muss beendet werden und die Schuldigen müssen zur Verantwortung gezogen werden“, forderte er. Organhandel sei ein globales Problem und bedürfe deshalb einer globalen Lösung. Strässer war von 2014 bis 2016 Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe und leitete den Menschenrechtsdialog zwischen Deutschland und China in den Jahren 2014 und 2015.
Das sagt „Slaughter“-Autor Ethan Gutmann
Ethan Gutmann, Investigativ-Journalist und Autor von „The Slaughter“ erläuterte einen detaillierten Zeitstrahl des chinesischen Organraubs, der in den 80er Jahren mit Hingerichteten begann und dann eine Wandlung durchmachte: Man versuchte demnach, den Tötungsprozess zu perfektionieren, um an möglichst frische Organe zu kommen. Dies hatte zur Folge, dass spätestens seit 2005 „Organentnahme die neue Form der Hinrichtung“ war, so Gutmann. Er geht davon aus, dass am Ende des Jahres 1999 über eine Million Falun Gong-Praktizierende in Chinas Laogai-System inhaftiert waren und sie seit 2001 im großen Stil ausgeschlachtet wurden. Eine Zeugin sagte aus, dass sie 2002 internistische Untersuchungen an Hauschristen in einem Arbeitslager miterlebte. 2003 wurden die ersten Tibeter untersucht und ermordet.
Aktuell sehe es so aus, dass Chinas oberster Transplantations-Zuständiger Huang Jiefu erklärt hat, dass man mittlerweile auf Todeskandidaten als Organspender verzichte. Es gab einige Krankenhaus-Führungen mit Vertretern der „Transplantation Society“ (TTS), jenem internationalen Dachverband der Transplantationschirurgen, der daraufhin behauptet, China habe einen Wandel vollzogen. Ein Mitglied der TTS sagte jedoch unter Eid aus, dass niemand in die Militärkrankenhäuser Chinas hineinkomme, und dass die TTS deshalb eine eventuelle Reform überhaupt nicht nachweisen könne, so Gutmann.
Seit 2013 verschwinden zunehmend Tibeter
Er erwähnte auch, dass seit 2013 das „erzwungene Verschwinden“ bei Tibetern zunehme und dass seit 2015 Bluttests an Falun Gong-Praktizierenden in deren Wohnungen stattfanden.
Der Fakt, dass Falun Gong-Praktizierende geschlachtet wurden, sei „nicht mal so geheim“ gewesen. Dr. Ko Wen-je, der heutige Bürgermeister Taipehs bekam 2005 in seiner Funktion als Arzt chinesische Organe angeboten – mit dem Hinweis, sie seien „alle sehr gesund“, „alle Falun Gong“, und würden „weder rauchen noch trinken“.
Zum Umstand, dass das Erste Zentralhospital von Tianjin behauptet, 131 Prozent Auslastung seiner Transplantationsbetten zu haben, erwähnte Gutmann ein internes Dokument: In diesem spreche die Klinik sogar davon, Patienten in Hotelzimmern unterzubringen.
Mit den 17 Operationssälen der Klinik seien von der Kapazität her 10.800 Transplantationen pro Jahr möglich. Dementsprechend unzureichend sei die Angabe des KP-Regimes von 10.000 Transplantationen pro Jahr in ganz China.
Gutmann fordert, die EU sollte eine Studie durchführen, wie viele EU-Bürger bereits als Organtouristen nach China gingen. Taiwan, das sich vor Chinas Haustür befände und damit direkt militärisch bedroht sei, war dieses Jahr so mutig, den Organtourismus zu verbieten. Das gleiche sollten auch Europas Länder tun. Gutmann plädiert für die Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht, „denn dies hier ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und jeder, der darin verstrickt ist, macht sich mitschuldig“ so sein Fazit.
Leidenschaftliches Plädoyer
Im Anschluss daran hielt der EU-Abgeordnete Arne Gericke eine leidenschaftliche Rede. Der Initiator der „Schriftliche Erklärung 48“ des EU-Parlaments sagte: „Wir müssen davon ausgehen, dass der Organraub wissentlich von der Kommunistischen Partei Chinas sanktioniert und gedeckt wird“ und dass Falun Gong-Praktizierende „’als lukrative lebende Organlager‘ zur Verfügung stehen“. Es sei wichtig, dass viele Zuhörer in Deutschland davon erfahren. Es gebe zahllose Berichte von Augenzeugen über Folterungen und Demütigungen, denen Praktizierenden ausgesetzt waren. Es würden über 100 Foltermethoden verwendet. Er zählte einige der Schrecklichsten auf und sagte in Bezug auf Falun Gong: „Dass die kommunistische Partei in China diese friedvolle, heilende Philosophie verfolgt und damit auch eine Jahrtausende währende intellektuelle Geschichte Chinas mit Füßen tritt, ist eine Schande.“
Er werde Falun Gong-Praktizierende politisch unterstützen, wo immer er könne, so Gericke.
„Wir dürfen jetzt nicht nachlassen“
Im Anschluss wurde eine Rede von Edward McMillan-Scott vorgelesen, in welcher dieser von seiner Reise 2006 nach China erzählt. Damals habe sich das Land auf die Olympischen Spiele 2008 vorbereitet und sich nach außen verantwortungsbewusst und fortschrittlich gegeben. Er traf jedoch damals einen Falun Gong-Praktizierenden, der ihm unter Tränen den Leichnam eines ermordeten Freundes beschrieb, den dieser im Gefängnis-Krankenhaus gesehen hatte – durchlöchert von Organentnahme. McMillan-Scott sagt, dass viele der Falun Gong-Praktizierenden, mit denen er damals heimlich in Peking sprach, verschwanden oder Folter erlitten. Er selbst glaubt fest an den Zusammenbruch des chinesischen KP-Regimes, denn bisher sei noch jedes totalitäre Regime zusammengebrochen. Gleichzeitig fordert der Politiker: „Wir dürfen jetzt nicht nachlassen.“
Die Mitschuld westlicher Pharmakonzerne
Dann sprach Arne Schwarz, IT-Experte, der anhand medizinischer Fachliteratur die Rolle westlicher Pharmakonzerne in China untersuchte. Er erhob den Vorwurf: Hoffmann-La Roche, Novartis und Sandoz seien unkritisch gegenüber dem Organraub in China und hätten ihn indirekt gefördert. Außerdem seien einige westliche Transplantations-Zentren in den USA, Australien, Großbritannien und andernorts verwickelt, einzelne Mediziner und die TTS. Die WHO reagiere sehr zwiespältig – „in letzter Zeit bedauerlicherweise sehr unkritisch“, so Schwarz.
Eine wichtige Rolle spielen die Pharmakonzerne, weil Immunsupressiva bei Transplantationen unerlässlich sind. Diese Immunsuppressiva liefern die Firmen schon seit Jahrzehnten – sie haben sich deshalb nie darum gekümmert, wie unethisch das chinesische Transplantationswesen ist. Da man diese Medikamente lebenslang einnehmen muss, versprechen sie riesige Profite. Mittlerweile würden sie von westlichen Firmen auch in China an chinesischen Patienten und in chinesischen Kliniken getestet.
Schwarz schildert, wie er 2010 in der Schweiz einen Medienrummel und Skandal um Hoffmann-La Roche auslöste: Er hatte den Konzern gefragt, wie er diese Tests in China vertreten könne – das obere Management teilte ihm schriftlich mit, „die Herkunft der Organe falle nicht in seinen Verantwortungsbereich“.
Westliche Unternehmen hätten ermöglicht, dass das unethische System überhaupt entstehen konnte, so Schwarz. China war in der Anfangszeit völlig abhängig von deren Medikamenten. Heute werden Immunsuppressiva zwar auch in China produziert, aber noch immer kommen rund 50 Prozent aller Präparate aus dem Westen.
Im Westen Ausgebildete sind heute Klinikchefs
Und wie reagiert die Fach-Community? Der Transplantations-Missbrauch in China kam schon 1994 durch einen Report von Human Rights Watch heraus. Trotzdem wurden zahllose chinesische Chirurgen vom Ausland ausgebildet und auch westliche Ärzte halten dort Vorträge. Das wurde ihnen natürlich von Kritikern vorgehalten. Ihre Antwort darauf: Die Chinesen würden dabei die westlichen ethischen Standards kennenlernen. Aber ob sie diese anwenden, kümmert sie nicht, mahnt Schwarz. Der Einfluss der im Westen Ausgebildeten war nicht nur hoch, die Pioniere von damals sind heute die führenden Klinikchefs, so der Ermittler. Die internationale Gemeinschaft müsse auf Aufklärung und Verurteilung drängen.
Prof. Nieh ergänzt, dass die WOIPFG insgesamt 90 chinesische Chirurgen ausmachte, die an 30 verschiedenen Einrichtungen in Deutschland ausgebildet wurden.
In einem kurzen Grußwort drückte der US-Kongress-Abgeordnete Chris Smith seine Unterstützung aus. Er schrieb: „Diese unaktzeptable, unfassbare und illegale Praxis muss sofort beendet werden“ und fügte hinzu: „Chinas Führende und deren medizinische Community müssen wissen: Es wird Konsequenzen geben, für Folter, psychiatrische Experimente und Organraub an Falun Gong und anderen Gewissensgefangenen.“
Wie kam es zum „Massenmord in Friedenszeiten“?
Zum Schluss erläuterte Dr. Charles Lee, US-Bürger und selbst Überlebender chinesischer Arbeitslager, wie es zu diesem „Massenmord in Friedenszeiten“ kommen konnte. Er macht dafür die Machtstruktur der chinesischen Kommunistischen Partei (ChKP) verantwortlich: An der Spitze jeder Regierungsinstitution befindet sich ein KP-Komitee, außerdem hat die KP eine Personalbehörde, welche alle Regierungsbeauftragten auswählt auf Linientreue. So funktioniere das Staatsverbrechen des Regimes von oben nach unten. Ex-Staatschef Jiang Zemin war ausschlaggebend und das Militär sei stark involviert in der Umsetzung des Organraubs. Dazu spielte er Audios mit Zeugenaussagen vor. Eine wichtige Rolle spielt außerdem das Büro 610, das außerhalb des gesetzlichen Rahmens agiert. Alle Institutionen wurden gezwungen, bei der Verfolgung von Falun Gong mitzumachen. Die bekannteste Order Jiang Zemins war: „Zerstört ihren Ruf, ruiniert sie finanziell, vernichtet sie physisch.“
Lee erklärte, jeder einzelne Punkt laut der Völkermord-Definition des Römischen Statuts sei in der Verfolgung von Falun Gong zu finden. Allein der Beginn der Kampagne war eine sehr wohldurchdachte und geplante Aktion mit mindestens drei Monaten Vorlauf. Am Anfang verwendete man die Medien, die 24 Stunden lang nur Attacken gegen Falun Gong brachten. „Die Leute dachten, die Kulturrevolution ist wieder da“, so Lee.
Es seien 4028 Todesfälle detailliert dokumentiert. Die Opferzahl des Organraubs könnte jedoch in die Millionen gehen.
Lee zitiert einen Organhändler, der am Telefon aussagte, Falun Gong-Praktizierende würden mit Codes gekennzeichnet und anhand ihrer Fingerabdrücke identifiziert. Sie würden ohne Namen geführt.