Londoner Volkstribunal sieht Zwangsentnahmen von Organen in China bestätigt

10.02.2019 Organraub

Mitglieder eines unabhängigen Volksgerichts in London sind in einem Zwischenurteil einstimmig zu dem Schluss gelangt, dass in China Zwangsentnahmen von Organen an Gefangenen aus Gewissensgründen „in einem erheblichen Umfang“ stattfinden.

Die öffentlichen Anhörungen für das China-Tribunal begannen am 8. Dezember 2018 und dauerten drei Tage. Mehr als 30 Zeugen, darunter Flüchtlinge, Ermittler und Ärzte, legten beunruhigende Beweise für den Organraub vor.

Der Urteilsentwurf, der für ein Volksgericht ungewöhnlich ist, wurde am 10. Dezember in der Hoffnung gemacht, unschuldige Menschen in China vor weiterem Schaden zu bewahren.

Das endgültige Urteil des Tribunals wird voraussichtlich im Frühjahr 2019 gefällt.

Sir Geoffrey Nice QC, der Vorsitzende des Unabhängigen Volkstribunals, auch bekannt als China Tribunal, verkündet das Zwischenurteil.

 Rechtsberater des Tribunals: „Bringen Sie an die Öffentlichkeit, was geschieht!“

Hamid Sabi, Menschenrechtsanwalt und Rechtsberater des Tribunals

Der Rechtsbeistand des Tribunals, Hamid Sabi, erklärte gegenüber Minghui, dass die Zwangsentnahme von Organen bei Gewissensgefangenen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle, begangen im Rahmen der nationalen Politik der Kommunistischen Partei Chinas zur Verfolgung von Falun Gong, auch Falun Dafa genannt.

„In China gibt es sehr, sehr kranke Menschen in verantwortlichen Positionen, die diese Verbrechen an völlig friedlichen Menschen verüben“, so Sabi.

„Das ist die staatliche Politik der chinesischen Regierung zur Unterdrückung von Falun Gong. Die Zwangsentnahme von Organen wird als Mittel zur Durchsetzung dieser Politik eingesetzt. Weil sie also planmäßig und systematisch abläuft, wird sie vom Völkerrecht oder vom Völkergewohnheitsrecht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft“, erklärte Sabi.

Klares Beispiel für Verbrechen gegen die Menschlichkeit 

„Der Vorwurf lautet, dass viele Gruppen, darunter Falun Gong-Praktizierende, Uiguren, einige christliche und einige buddhistische Gruppen, inhaftiert und regelmäßig ärztlich untersucht wurden, um ihnen dann, wenn die Zeit gekommen war, ihre Organe zu entnehmen. In einigen Geschichten heißt es, dass die Entnahme ohne Anästhesie und auf sehr schreckliche Weise vorgenommen worden sei. Die Organe seien dem Organ-Touristen dann sofort transplantiert worden“, so Sabi.

„Das ist ein klares Beispiel für Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Mord, Folter und extrem unmenschliche Behandlung von Gefangenen“, sagte er.

Er betonte, dass die Verbrechen in ganz China im Rahmen der staatlichen Politik systematisch begangen würden, wobei staatliche Einrichtungen wie Militärkrankenhäuser, Haftanstalten und Gefängnisse daran beteiligt seien. Das Tribunal habe auch Beweise dafür, dass Chinas Ex-Staatschef Jiang Zemin die Verfolgung angeordnet habe.

Sabi hofft, dass die Weltöffentlichkeit von allen Zeugenaussagen der Falun-Dafa-Praktizierenden erfahren kann. Jeder von ihnen habe unvorstellbare Leiden erlebt, sagte er. Es sei beklemmend zu hören, dass Menschen wegen ihres Glaubens unmenschlich behandelt werden. Die Aussagen seien aufgezeichnet worden und würden bald auf der Website veröffentlicht werden, kündigte er an.

Zwar seien rechtliche Maßnahmen erforderlich, aber auch der moralische Druck sei wichtig. Es sei eine Möglichkeit, China durch die öffentliche Meinung unter Druck zu setzen. Die Veröffentlichung der dem Gericht vorgelegten Beweise sowie der Schlussbericht des Gerichts in den Medien würden den öffentlichen Druck auf die Beendigung der Verfolgung verstärken.

Da China das römische Statut nicht ratifiziert habe, könne es daher nicht vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden, erklärte er. Die einzige Behörde, die Sanktionen gegen China verhängen könne, sei der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. China sitze aber als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat und würde gegen alle Schritte ein Veto einlegen. Daher sei es ihnen gelungen, mit all diesen Gräueltaten durchzukommen.

Menschenrechtsanwalt David Matas: Falun-Gong-Praktizierende verschwinden in riesiger Anzahl

Menschenrechtsanwalt David Matas legt am 8. Dezember 2018 vor dem Londoner Volksgericht Zeugnis ab.

Der kanadische Menschenrechtsanwalt David Matas war der erste Zeuge bei der Anhörung am 8. Dezember. Er stellte den Zusammenhang, den Hintergrund, den Verfahrensablauf und die Schlussfolgerungen der unabhängigen Untersuchungen vor, an denen er, David Kilgour und Ethan Gutmann gearbeitet hatten. Anschließend beantwortete er Fragen der Mitglieder des Tribunals.

Matas hatte sich intensiv mit dem Thema Organraub in China auseinandergesetzt. Daher vermutet er, dass die Opfer in erster Linie Falun-Gong-Praktizierende sind, aber auch andere Gefangene aus Gewissensgründen, einschließlich Uiguren, Tibeter und Hauschristen. „Bei den Tibetern und Uiguren war es geografisch begrenzt, und bei den Hauschristen war die Anzahl relativ gering. Daher ist es verständlich, dass man sich auf Falun Gong konzentriert hat, aber die anderen sollten nicht vergessen werden“, sagte Matas.

Es bedürfe weiterer Analysen, um die Zwangsentnahme von Organen als Verbrechen des Völkermords zu bestrafen. Die verfügbaren Beweise deuten aber darauf hin, dass die Verfolgung durch die chinesische Regierung gelenkt wird.

„Falun-Gong-Praktizierende verschwinden spurlos in riesiger Anzahl“, sagte Matas. „Das Phänomen [der Vermissten] trat auf, nachdem das Ziel gesetzt worden war, Falun Gong auszulöschen.“

Er betonte, dass eine Lücke in den internationalen Justizsystemen bestehe. Obwohl es möglich sei, rechtliche Maßnahmen gegen China zu ergreifen, hätten die Nationen vermieden, irgendwelche Schritte in diese Richtung zu unternehmen, weil China für ihre politischen Interessen zu wichtig sei. „Stattdessen bleibt uns nur noch ein Volkstribunal“, so Matas.

Britische Professorin: Täter des Organraubs müssen mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung rechnen

Professorin Heather Draper von der Universität Warwick auf einer Pressekonferenz für das Unabhängige Volkstribunal am 8. Dezember 2018

 Die Professorin Heather Draper ist Mitglied des Internationalen Beratungsausschusses für die Internationale Koalition zur Beendigung von Transplantationsmissbrauch in China (International Coalition to End Transplant Abuse in China). Ihre akademische Forschung konzentriert sich auf Bioethik und Ethik in Bezug auf Gewebe- und Organtransplantation. Auf einer Pressekonferenz am 8. Dezember betonte sie die Bedeutung der Transplantationsethik und forderte alle Menschen, einschließlich Mediziner und Transplantatempfänger, auf, die Untersuchungen des unabhängigen Tribunals ernst zu nehmen.

„Vor allem interessiert mich, warum sich nicht mehr Transplantationsexperten aus der ganzen Welt für diese Beweise interessieren, die die Internationale Koalition zur Beendigung von Transplantationsmissbrauch in China veröffentlicht hat. Und warum sie sich nicht für die Dokumentationen und andere Informationen interessieren über das, was meiner Meinung nach eine sehr unethische Praxis zu sein scheint“, sagte sie. „Es sieht so aus, als ob Ärzte und Pflegekräfte an den groben Verstößen gegen ethisches Verhalten beteiligt sind.

Ethische Normen hatten bei Transplantationen schon immer einen explizit hohen Stellenwert. Denn es gibt Empfindlichkeiten rund um Tod und Sterben, daher kann man es  mit sehr verärgerten Verwandten zu tun bekommen. So gab es bei Transplantationen immer ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein.“ Draper erklärte, dass dieses Niveau der Transplantationsethik international anerkannt sei. Ärzte aus Ländern mit traditionell hohen Anforderungen an die medizinische Ethik könnten es daher unglaublich finden, dass Ärzte in China wissentlich Mord begehen.

Mediziner, die auf Transplantationen spezialisiert sind, sollten selbst entscheiden, ob sie sich an dem, was China tut, mitschuldig machen wollen. Dazu gehöre auch die Einladung von chinesischen Beamten und Transplantationschirurgen zu internationalen Konferenzen.

Beraterin für Völkerrecht vergleicht Organraub mit Völkermord der Nationalsozialisten

Steffi Spinae, eine auf Völkerrecht spezialisierte Anwältin, nimmt an einer öffentlichen Anhörung des Unabhängigen Volkstribunals teil.

Steffi Spinae, eine auf Völkerrecht spezialisierte Anwältin, hat an vielen großen Gerichtsverfahren mitgewirkt. Sie hörte sich während des Tribunals mehrere Zeugenaussagen von Falun-Dafa-Praktizierenden aus China an, die der Verfolgung entkommen waren.

„Ich finde es sehr mutig, vorzutreten und darüber zu sprechen, was mit einem passiert ist. Es ist sehr schmerzhaft, wenn man darüber spricht“, sagte sie. „Ich denke, dass es manchmal fast Teil des Heilungsprozesses ist, wenn man den Schmerz ausspricht.“

Der Organraub an Falun-Dafa-Praktizierenden in China unterscheide sich nicht von dem Völkermord der Nazis am jüdischen Volk, sagte sie. „Es ist eigentlich noch schlimmer, denn ich sage Ihnen etwas: Wir sollten jetzt viel zivilisierter sein als vor 70 Jahren, oder? Wir sollten mehr wissen, wir hätten es besser machen sollen. Wir haben in 70 Jahren nichts gelernt“, folgerte sie.

Menschenrechtsaktivist: Unabhängiges Volkstribunal zeigt der Welt die Verbrechen der Kommunistischen Partei

Benedict Rogers, Mitbegründer und stellvertretender Vorsitzender der Menschenrechtskommission der britischen Konservativen Partei und Gründer von „Hongkong Watch“, bei einer öffentlichen Anhörung des Tribunals

Benedict Rogers, Mitbegründer und stellvertretender Vorsitzender der Menschenrechtskommission der britischen Konservativen Partei und Gründer von Hongkong Watch, setzt sich seit Jahren mit dem Thema Organentnahme an politischen Gefangenen in China auseinander. Er sagte, dass die Einrichtung und Durchführung des Unabhängigen Volkstribunals dazu beigetragen habe, die Welt auf die Menschenrechtsverletzungen der Kommunistischen Partei Chinas aufmerksam zu machen.

Es sei das erste Mal, dass er die Beweise für den Organraub als juristische Person betrachte und die Beweise im Rahmen des Völkerrechts analysiere, so Rogers weiter. Das Tribunal, obwohl es unabhängig sei und keine administrative Befugnis habe, habe bei den Medien und der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregt und eine starke Botschaft an das chinesische Regime gesendet. Die Zwangsentnahmen von Organen seien Teil der wiederholten Verbrechen der Kommunistischen Partei Chinas gegen die Menschlichkeit, zu denen auch die jüngsten Vorfälle in Xinjiang gehören würden.

Das Zwischenurteil

Sir Geoffrey Nice QC, Vorsitzender des Unabhängigen Volkstribunals, verkündete am Abend des 10. Dezember 2018 ein Zwischenurteil. Er sagte, die Mitglieder des Tribunals seien einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass der Organraub an Gewissensgefangenen in China schon lange und „in erheblichem Umfang“ stattgefunden habe und vom Staat organisiert und gefördert worden sei.

Das endgültige Urteil soll im Frühjahr 2019 gefällt werden. Es wird Aufschluss darüber geben, ob und wenn ja, wer die Täter waren und wie viele Opfer von Organentnahmen es gegeben hat.

Bis dahin sind die Beweisanträge noch nicht abgeschlossen. Ebenso besteht noch die Einladung an das chinesische Regime, sich dem Verfahren anzuschließen. Bislang ist die chinesische Regierung dieser Aufforderung nicht nachgekommen. 

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